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Furfurol

Die Furfurol-Analyse

Erschienen am 28.07.2003 in der Elektrizitätswirtschaft 102 (2003), Heft 16, pp.44-45


Alterung fester Isolation in Leistungstransformatoren

Eine Zustandsbeurteilung der festen Isolation eines Leistungstransformators ist während des Betriebes nicht möglich. Zur Entnahme einer Papierprobe muss das Aggregat abgeschaltet und (zumindest teilweise) geöffnet werden. Entstehende Kosten durch Stillstand und Arbeitsaufwand sind für Industrie und Energieversorgungsunternehmen oft nicht vertretbar. Die Bestimmung von Furfurol (2-FAL) in einer Isolierölprobe erlaubt eine rasche und gute Abschätzung des Zustandes von Papier und Pressspan. Grundlage ist eine empirische Korrelation zwischen Furfurol-Gehalt und Durchschnittlichem Viskosimetrischen Polymerisationsgrad aus den Umspannern entnommenen Papierproben.

Ölgetränktes Papier und Pressspan werden im Transformatorenbau allgemein zu Isolations- zwecken, Isolieröl zudem als Kühlmittel eingesetzt. Während des Betriebes gilt es, den Zustand des Papier-/Öl-Dielektrikums schnell und sicher zu erfassen. Die Zustandsbeurteilung des Isolieröles kann durch Entnahme einer Ölprobe am Betriebsmittel und deren anschließende Untersuchung im Labor rasch und unkompliziert durchgeführt werden. Darüber hinaus kann die Gas-in-Öl-Analyse (DGA) einen Aufschluss über den thermischen und elektrischen Zustand des Umspanners geben. Die Zustandserfassung der festen Isolation ist jedoch weitaus komplizierter. Um eine Papierprobe entnehmen und diese auf den Alterungszustand untersuchen zu können, muss der Transformator außer Betrieb genommen und ggf. der Aktivteil gezogen werden. Wird Zellulose thermisch abgebaut, so entsteht u.a. ein stabiles, im Isolieröl lösliches und analytisch einfach und sicher zu bestimmendes Zersetzungsprodukt, das Furfurol (2-FAL). Seine Bestimmung lässt einen Rückschluss auf den Zustand des festen Dielektrikums (Papier/Pressspan) zu.

Chemischer Abbau von Zellulose

Das im Transformatorenbau verwendete Isolierpapier (Kraftpapier) besteht zu etwa  90 % aus Zellulose, zu 3 - 7 % aus Lignin (Holzstoff) und Pentosanen (Polyaldopentosen). Zellulose ist ein Polykondensationsprodukt aus Glucose-Einheiten (Traubenzucker), die kettenförmig miteinander verknüpft sind. Die durchschnittliche Anzahl der Zuckermoleküle pro Zelluloseeinheit wird durch den Durchschnittlichen Polymerisationsgrad (DP) wiedergegeben. Neues Isolierpapier hat einen DP von 1300 - 1100, der nach erfolgter Trocknung auf etwa 950 absinkt [1]. Während des Betriebes fällt der DP durch Kettenbruch weiter ab. In einem DP-Bereich von 900 - 500 zeigt die mechanische Festigkeit hohe und relativ konstante Werte, zwischen 500 und 200 besteht ein linearer Zusammenhang zwischen DP und mechanischer Festigkeit. Mit einem DP von 200 wird ein Wert erreicht, bei dem eine mechanische Festigkeit nicht mehr messbar ist [1]. Der Mechanismus, nach dem die Zellulose abgebaut wird, hängt im Wesentlichen von den äußeren Rahmen- bedingungen ab, denen sie unterworfen ist. So werden allgemein drei Abbaumechanismen unterschieden: thermischer, oxidativer und hydrolytischer Abbau. Diese laufen im Transformator meist parallel zueinander ab, doch je nach Betriebsbedingungen kann der eine oder andere Weg bevorzugt werden. Die Mechanismen werden im Folgenden einzeln vorgestellt:

Thermischer Abbau

Der thermische Abbau von Zellulose bei bis zu Temperaturen von 200°C ähnelt dem bei normaler betriebsbedingter Alterung. Bei Abwesenheit von Feuchtigkeit und Sauerstoff bzw. anderer Oxidantien werden glycosidische Bindungen gespalten. Dabei entstehen Glucose-Einheiten, Kohlenstoff-Oxide und Wasser [1,2]. Oberhalb von 200°C können dann auch weitere Reaktionen auftreten, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll.

Oxidativer Abbau

Die Anwesenheit von Sauerstoff führt zu einer Oxidation der Glucose-Einheiten. Je nach Oxi- dationsmittel und pH-Wert (sauer, alkalisch) entstehen unterschiedliche Abbauprodukte. Grundsätzlich werden dabei Hydroxyl-Gruppen zu Carbonyl- (Aldehyd-) und Carboxyl- (Säure-) Gruppen oxidiert. Dies destabilisiert die glycosidische Bindung zwischen den Glucose-Einheiten und kann so zum Kettenbruch führen, der einen Abfall des Durchschnittlichen Poly- merisationsgrades zur Folge hat. Gleichzeitig wird Wasser gebildet [1,2].

Hydrolytischer Abbau

Wasser und Säure bewirken ebenfalls eine Spaltung von glycosidischen Bindungen und führen zur Freisetzung von Glucose-Molekülen. Obwohl bei der Transformatorenherstellung eine sehr gute Trocknung der festen Isolation erzielt wird, bleibt immer eine gewisse Restfeuchte in Papier und Pressspan zurück. Tritt bei normalem Betrieb thermischer oder oxidativer Abbau ein, können bei entsprechender Temperatur Bedingungen geschaffen werden, die auch einen hydrolytischen Abbau möglich machen. Glucose-Moleküle werden u.a. zu Furfurol (2-FAL) abgebaut. Bei Temperaturen von 100 - 140°C wird unter Einbau eines Wassermoleküls zunächst ein Glucose-Molekül freigesetzt. Dieser Vorgang, sowie der weitere Abbau von Glucose zu Furfurol, ist säurekatalysiert [3].

Die Verteilung von Furfurol zwischen der festen und flüssigen Isolation ist, ähnlich wie bei Wasser, aufgrund der polaren Eigenschaften dieser Verbindung zugunsten der festen Isolation stark ver- schoben. Furfurol ist eine unter normalen Betriebsbedingungen eines Transformators vergleichs- weise stabile Verbindung [2] und unterliegt einem verhältnismäßig langsamen Abbau bis hin zu Carbonsäuren [3].
 

     Bild 1. Hydrolytischer Abbau von Zellulose

Zieht man eine Stoffbilanz dieser Reaktionen, so wird deutlich, dass bei der Bildung eines Moleküles Furfurol (2-FAL) auch drei Wassermoleküle entstehen.  Diese können dann wieder zur Einleitung des Abbauprozesses benutzt werden und beschleunigen so die Alterung des festen Dielektrikums (Autokatalyse).

Korrelation zwischen 2-FAL und DP

Der Furfurol-Gehalt (2-FAL) wurde mittels Hochdruckflüssigkeitschromatographie (HPLC) nach Fest-Flüssig-Trennung vom Öl bestimmt [4]; die Messung des Durchschnittlichen Polymeri- sationsgrades der Papierproben erfolgte viskosimetrisch [8]. Unsere Laboratorien in Bonn und in Schmalkalden sind bei DASMIN (DAR MIN-P03/98) akkreditiert.

 

     Bild 2: DP in Abhängigkeit vom Furfurol-Gehalt

Die in Bild 2 beschriebene Korrelation zwischen Furfurol-Gehalt und Durchschnittlichem Polymerisationsgrad basiert auf Bestimmungen von Furfurol in Isolieröl und von Messungen des DP, oftmals an Proben mehrerer verschiedener Entnahmestellen des betreffenden Transformators. Der hier vorgestellte Zusammenhang zeigt eine hinreichende Übereinstimmung mit den bisher veröffentlichten Labor- und Praxisergebnissen [1,6].

Beurteilung des Messergebnisses

Eine sinnvolle Interpretation des 2-FAL-Gehaltes hinsichtlich des Zustandes der festen Isolation (Papier und Pressspan) kann jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen durchgeführt werden. So ist die Historie des Transformators (Ölaufbereitung, Ölwechsel) von entscheidender Bedeutung. Der Furfurol-Gehalt im Öl sinkt nach einem Ölwechsel bzw. einer Ölaufbereitung zunächst deutlich ab und steigt dann wieder bis zur erneuten Gleichgewichtseinstellung an [5]. Die Beurteilung des durch Messung des Furfurol-Gehaltes ermittelten Durchschnittlichen Polymerisationsgrades der festen Isolation wird in Anlehnung an namhafte Versicherungen durchgeführt. So wird zwischen gutem Zustand (DP 1100-900), schwachem (DP 900-700), mittlerem (DP 700-500), starkem (DP 500-200) und totalem (DP < 200) Abbau der festen Isolation in Abhängigkeit vom theoretisch ermittelten DP unterschieden. Dabei deutet ein totaler Abbau, neben einer nur noch bedingten mechanischen Festigkeit der festen Isolation, auch auf  einen fortgeschrittenen Abbau in der Zellulose hin. Erhöhte Wasserproduktion und Ablösung von Fasern aus der Zellulose-Oberfläche können möglicherweise einen nicht unerheblichen Einfluss auf die elektrische Festigkeit des flüssigen Dielektrikums ausüben.

Die Aussagekraft dieser Methode bleibt jedoch begrenzt. Weder genaue Werte des Durch- schnittlichen Polymerisationsgrades, noch eine gesicherte Restlebensdauer können so ermittelt werden. Ersteres erklärt sich aus der Tatsache, dass feste Isolation, je nach Lage im Transformator, thermisch unterschiedlich beansprucht wird und somit auch ungleich altert. Die im Öl bestimmte Menge an Furfurol ist also die Folge aller im Umspanner stattfindenden Alterungsprozesse fester Isolation. Dennoch wird den Betreibern mit dieser Methode ein Mittel an die Hand gegeben, das zusammen mit weiteren Prüfungen (z.B. Gas-in-Öl-Analyse, Isolieröl- untersuchung, elektrische Messungen, ...) eine Zustandsbeurteilung des hochwertigen Investitions- gutes Transformator erlaubt und die Zukunft seiner Energieversorgung planbarer macht.

Literatur

  1. Shroff D.H. und Stannet A.W., IEE Proc. C , 132, (6), pp. 312-319 (1985)
  2. Unsworth J. und Mitchell F., IEEE Trans., EI-25 (4), pp. 737-746 (1990)
  3. Vergne J. et al., REE, (2) 1995, pp. 75-83
  4. DIN EN 61198 Isolieröle auf Mineralölbasis - Prüfverfahren zur Bestimmung von Furfurol und verwandten Verbindungen
  5. Sans J.R. et al., Konferenzbericht IEEE International Symposium on Electrical Insulation, Arlington, USA, 7.-10. Juni 1998, pp. 543-553
  6. Wesselink H., Energietechniek, 74, (7/8), pp. 480-483 (1996)
  7. De Pablo A., CIGRE-Konferenzbericht 15/21/33-19, Session 1996
  8. DIN IEC 450 Messung des Durchschnittlichen Viskosimetrischen Polymerisationsgrades von neuen und gealterten Papieren für elektrotechnische Zwecke